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Tag "Notate"

Lijiang Sanyi

Der Flughafen von Lijiang besteht, wie die meisten chinesischen Inlandsflughäfen in ländlicher Gegend, aus einem abstrus monströsen Terminalgebäude, in diesem Fall größtenteils aus den Elementen „weiß gestrichener Beton“ und „bläulich schimmernde Glaspaneele“ komponiert, sowie einem aus genormten Asphaltplatten zusammengesetzten Rollfeld, auf dem vergilbte Grasbüschel, die aus schartigen Fugen sprießen, im lauen Wind des Hochplateaus die Beschaffenheit des gerade aktuell Vorhandenen abnicken.

Die groteske Überdimensionierung besagten Terminalgebäudes verdeutlicht sich in seinem Inneren – einem einzigen, mit rötlich schimmerndem Marmorimitat ausgekleideten Saal, in dem sich, verlorenen Hütten gleich, eine Sicherheitskontrolle mit genau einem Metalldetektor sowie ein zehn Quadratmeter großer Souvenirladen, dessen Sortiment hauptsächlich Plastikspielzeug und bemalte Raubvögel aus Ton beinhaltet, befinden – noch viel unleugbarer als von außen betrachtet, wo die Ausläufer des Himalaya und die Weite der Landschaft sie auf ein erträgliches Maß relativieren.

[…]

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WTC 1

When the numbers get so high
Of the dead flying through the sky
O, I don’t know why
Love comes to me
Love comes to me

Wie es denn dann ganz praktisch war; materiell – die roten Stücke Fleisch überall, zwischen den Resten von allem, was einmal Zusammenhang hieß und stiftete. Die roten Spuren, und (ebenso) überall der Staub, Schlieren, Glas, Gehirn, das Vorher und das Nachher und die Frage, was man zeigen sollte und wer denn hier das „darf“ definiert. Jeder Fleischrest war einmal Teil von etwas, das „Ich“ sagen konnte, dies nun aber nicht mehr tut. Schuld daran ist weder ein System (in keiner von Menschen definierten, gesetzten Kategorie wie Himmelsrichtung, Kulturkreis oder Religion), noch irgendein Subjekt innerhalb dieser Referenzbezüge, sondern bloß die überall gleiche Conditio Humana, die es sich selbst zumeist versagt, mehr meta zu denken, als es zum bloßen Überleben braucht. Auch wenn dies manchmal eben nicht für alle gilt, sowohl das mit dem Denken wie auch das mit dem Überleben, wobei es oft, aber auch wiederum nicht immer miteinander korrespondiert. Zu weit gehen ist eine Frage der Definition des Begriffes der Grenze.

Abstraktion und Praxis, die Masse und das Individuum, das Rhizom und dessen Zusammenhänge, die Unfähigkeit der meisten Subjekte, überhaupt eine Vorstellung von einer umgreifenden Struktur zu entwickeln, geschweige denn, von dort aus begreifen zu können, dass diese Struktur nicht statisch, sondern hochdynamisch ist.

Die Unterkomplexität als Voraussetzung des Glücks im Sinne des gemeinsamen Nenners der meisten, das Referenzsystem der Nivellierung, das Einpegeln auf dem mittleren Grad.

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Vielleicht, weil es dich nur als den Einen gibt, hinter dem das Viele liegt.

WTC 2 WTC 3 WTC 4
WTC 5 WTC 6 WTC 7
WTC 8 WTC 9 WTC 10

 

Bildquelle: Anonymous / documentingreality.com
See also: Die Appropriation des Anderen

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Weihnachtsserviette

Das Pekinger Stadthofhaus von Blixa Bargeld. Die Saturiertheit des Geistes und der Zustände. Ich bin unterwegs in einer Melange aus Jetlag und Alkohol, aus Flugangst und Misanthropie. Und den Herd hat auch wieder niemand ausgestellt. Fahrstuhl, Taxi, Gepäckwagen, Verlust jeglicher Contenance. Der Sprung an den Hals des nächstbesten Unverantwortlichen.

[…] Denn alles, was gedacht wird, ist überflüssig. Die Natur braucht das Denken nicht, sagt Oehler, nur der menschliche Hochmut denkt sein Denken ununterbrochen in die Natur hinein. Was uns durch und durch deprimieren muß, ist die Tatsache, daß wir durch dieses unverschämte Denken in die gegen dieses Denken naturgemäß völlig immunisierte Natur hinein nur immer noch in eine größere Deprimation hineinkommen, als die, in der wir schon sind. Die Zustände werden durch unser Denken naturgemäß, sagte Oehler, zu immer noch unerträglicheren Zuständen. Denken wir, wir machen die unerträglichen Zustände zu erträglichen Zuständen, so müssen wir bald einsehen, daß wir die unerträglichen Zustände nicht zu erträglichen und auch nicht zu erträglicheren Zuständen gemacht haben (machen haben können), sondern nur noch zu noch unerträglicheren Zuständen. Und mit den Umständen ist es wie mit den Zuständen, sagte Oehler, und mit den Tatsachen ist es dasselbe. Der ganze Lebensprozess ist ein Verschlimmerungsprozess, in dem sich fortwährend, dies Gesetz ist das grausamste, alles verschlimmert. […]

Thomas Bernhard – Gehen

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