Hardcore will never die, but you will
Mogwai. Tja. Hm. Nun ja. Mogwai. Was soll man über eine Band sagen, die es so eigentlich gar nicht geben kann? Fünf Schotten in T-Shirts und Jeans, wie man sie in Glasgower Pubs traubenweise von der Theke pflücken kann, machen eine Musik, die alles ist und nichts, sowohl emotionale Projektionsfläche wie körperlicher Angriff und eigentlich so was von Postrock, dass sie schon wieder Rock ist.
Der einzig wirklich offensichtliche Aspekt einer solchen Kategorisierung ist aber eigentlich nur der Umstand, dass die Instrumentierung mehr oder weniger die des klassischen Rock ist. Da hört es aber dann auch schon auf. Kurz hüpft noch hinten links der Begriff „Ambient“ vorbei, wird aber aus Schwammigkeitsgründen umgehend wieder in die Garderobe gescheucht.
Am ehesten könnte man noch eine Nähe zur klassischen Musik anführen, und zwar genau im entgegen gesetzten Sinne solcher Blödsinnsunterfangen wie Streicherensembles, die die versteckte Fahrstuhlmusik in den Songs von Metallica herausschälen. Mogwai nämlich arbeiten (wie gesagt, mit anderer Instrumentierung und anderem Habitus, naturgemäß) in gewisser Weise mit strukturellen Elementen, wie sie sich eher in der Philharmonie als in schottischen Kellerproberäumen finden lassen.
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Es geht um Dynamik – und um den Begriff des Motivs, sowie die Art und Weise, wie dieses als strukturelles Kernelement variiert wird. Aber das denkt man natürlich nicht während eines Konzertes, denn dort ist man voll und ganz damit beschäftigt, offenen Mundes und glänzenden Auges in Ehrfurcht erstarrt zu stehen und zu lauschen. Das wiederum sollte man jedoch nicht allzu nahe von Bühne und Boxen tun, denn die Ergriffenheit bekommt aufgrund der Ausweitung des Konzeptuellen bis hin zur letzten Reglerstellung immer wieder mal etwas wirklich körperliches.
Ein Freund erzählt diesbezüglich immer wieder gerne die Geschichte von seinem ersten Konzertbesuch bei den Herrschaften, als zur ersten paradoxen Brachialharmoniestelle des Abends die Dame des neben ihm stehenden Indiepärchens tatsächlich und buchstäblich ihrem Begleiter vor Schreck (und körperlicher Ergriffenheit) auf den Arm sprang. Bei meinem bröckelte lediglich der Putz von der Decke des schrammeligen Kölner Clubs, zwei oder drei Brillengläser zersprangen und einige der draußen Rauchenden wurden von der Druckwelle auf den gegenüberliegenden Bürgersteig geschleudert. Vielleicht übertreibe ich aber jetzt auch ein wenig. Vielleicht aber auch nicht.
Am besten lassen sich Mogwai übrigens im Nachtbus von Bangkok nach Surat Thani hören. Wenn gerade kein Nachtbus von Bangkok nach Surat Thani zur Hand sein sollte, tut es aber selbstverständlich auch das Berlin Festival. Gehen Sie da mal hin und hören sich das an. Aber nehmen Sie Ohrstöpsel mit.
Und wenn Ihnen das dann gefallen hat und die blauen Flecken, die die Schallwellen auf Ihrem Körper hinterlassen haben, wieder verblasst sind, empfehle ich den sofortigen Kauf aller Alben von Explosions in the Sky. Die sind nämlich quasi das etwas jüngere texanische Pendant zu Mogwai, und ein wenig toller finde ich sie auch. Wenn das denn geht.
Zuerst erschienen auf freitag.de