— Paragraphien

Das Böse wohnt in der Vorstadt

Rötha

Hans-Christian Schink: Auswahl aus der Serie Rötha, C-Print/Diasec, je 49,5 x 58 cm und 58 x 49,5 cm, 2000. Ausstellungsansicht. © ZERN // Jens Pfeifer: Auswahl aus der Serie Hinterwäldler, Aluminium, verschiedene Formate, 2005. Ausstellungsansicht. © ZERN

Jean Baudrillard schreibt in Die Hölle des Gleichen: „Wer klont, zeugt nicht“. Zwar sind die Reihenhäuser in Hans-Christian Schinks (*1961) Serie Rötha keine aus Spendermaterial erzeugten Ableger im Sinne des biologischen Begriffs, jedoch sind sie Architektur gewordene Anverwandte des verschwundenen Subjektes, dessen Tod der baudrillardsche Text beschwört.

Natürlich zeigt sich in der wiederholenden Gleichheit auch die Differenz in Form der kleinen Details, die der Betrachter beim näheren Hinsehen bemerkt, eine Holzbank, ein Plüschtier im Fenster, die Farbe des Rasens – jedoch verweisen diese vorgeblichen Unterschiede in einer Art Rückkopplung gleichsam noch stärker auf den Verlust jeglicher Individualität.

[…]

Schink zeigt im Habitus des neutralen Beobachters das, was [sichtbar] ist, doch scheint es, als ob, nach klassischem Muster, gerade im Verborgenen, im nicht Sichtbaren das liegt, was zu fürchten ist. Die scheinbar verloren gegangene Aura des seriell reproduzierten Werkes findet sich wieder im Bedrohlichen der differenten Kopie.

Hinterwäldler

Jens Pfeifers (*1963) Hinterwälder sprechen ebenfalls die Sprache des Unheimlichen, des uncanny. Gerade diese Empfindung setzt nach dem hier unvermeidbaren Sigmund Freud zunächst das Gewohnte, Bekannte, Heimliche im Sinne von „Heim“ voraus – das sich dann jedoch verwandelt, einen Schritt neben sich tritt, zu einem Fehler in der Matrix wird.

Pfeifers Aluminiumskulpturen tun genau das. Sie simulieren vertraute Formen – den menschlichen Körper oder eigentlich aus Holz gefertigte Konstruktionen wie einen Hochsitz oder eine Futterkrippe – und stellen diese neben sich, neben unsere herkömmliche diskursive Wahrnehmung von ihnen.

Somit wird das Vokabular des Bekannten, Heimeligen transponiert auf eine Ebene der Irritation, auf der ein Bauwagen vielleicht etwas anderes ist als ein Bauwagen und ein Hochsitz uns sagt, dass er vielleicht gar kein Hochsitz ist. Und natürlich doch. In einem Prozess der verlangsamten, entschleunigten Wahrnehmung wachsen dort Geweihe, wo sie es normalerweise nicht tun.

 

Erschienen als Begleittext zur Ausstellung Resident Evil in der Galerie ZERN

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