— Paragraphien

Archive
Hello Kitty Goethe

Lijiang Sanyi

Der Flughafen von Lijiang besteht, wie die meisten chinesischen Inlandsflughäfen in ländlicher Gegend, aus einem abstrus monströsen Terminalgebäude, in diesem Fall größtenteils aus den Elementen „weiß gestrichener Beton“ und „bläulich schimmernde Glaspaneele“ komponiert, sowie einem aus genormten Asphaltplatten zusammengesetzten Rollfeld, auf dem vergilbte Grasbüschel, die aus schartigen Fugen sprießen, im lauen Wind des Hochplateaus die Beschaffenheit des gerade aktuell Vorhandenen abnicken.

Die groteske Überdimensionierung besagten Terminalgebäudes verdeutlicht sich in seinem Inneren – einem einzigen, mit rötlich schimmerndem Marmorimitat ausgekleideten Saal, in dem sich, verlorenen Hütten gleich, eine Sicherheitskontrolle mit genau einem Metalldetektor sowie ein zehn Quadratmeter großer Souvenirladen, dessen Sortiment hauptsächlich Plastikspielzeug und bemalte Raubvögel aus Ton beinhaltet, befinden – noch viel unleugbarer als von außen betrachtet, wo die Ausläufer des Himalaya und die Weite der Landschaft sie auf ein erträgliches Maß relativieren.

[…]

Ganzen Artikel anzeigen

Chalok Baan Kao

 

STURMABSCHIED
[Traurige Tropen I]

Die Palmen wedeln
mit langen Armen
vor der Linie
verabschieden
den Sturm
am Strand
die Fußabdrücke
längst verendeter
Legionen
unter den Strommasten
120 Jahre Ethnographie

alles Weitere
ist Warten
auf die Flut

[…]

Ganzen Artikel anzeigen

Wand

Es fällt mir sehr schwer, mich genau zu erinnern. Man sagte mir, ich hätte die beiden vergangenen Jahre in einem Kellerverlies unterhalb des Grill Royal verbracht, hineinkonstruiert zwischen Vorratsräumen und Heizkeller, mit eigenem Luft- und Abwassersystem. Es war komplett eingerichtet mit weißen Möbeln, die exakt so aussahen wie aus der beliebten Billy-Reihe eines großen schwedischen Möbelhauses, jedoch viel besser verarbeitet waren. Bei Hochwasser schwappte die Spree durch das oben gelegene Fenster hinein und durchnässte das Strohlager und meine Notizen. Man mischte mir täglich Drogen ins Essen, wohl eine Mischung aus Peyote und Amphetaminen, und ich muss unfassbar viel Text produziert haben, ausgehend von den Manuskripten, die in den Schränken des Vorraumes gefunden wurden. Ich weiß noch, dass einmal im Monat ein Herr in einem gutgeschnittenen Anzug, das war wahrscheinlich der Herr von Eden, mit Pomade im Haar, vorbei kam, die aktuelle Produktion begutachtete und Verwendbares mitnahm. Ab und an schauten auch seine Kollegen, die Frau Eggers und der Herr Landwehr, herein, und lockerten die zumeist recht eintönige Kost aus Fleisch-, Kartoffel- und Salatresten mittels mitgebrachter Präsentkörbe aus dem Hause Butter Lindner auf.

[…]

Ganzen Artikel anzeigen