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Lijiang Sanyi

Der Flughafen von Lijiang besteht, wie die meisten chinesischen Inlandsflughäfen in ländlicher Gegend, aus einem abstrus monströsen Terminalgebäude, in diesem Fall größtenteils aus den Elementen „weiß gestrichener Beton“ und „bläulich schimmernde Glaspaneele“ komponiert, sowie einem aus genormten Asphaltplatten zusammengesetzten Rollfeld, auf dem vergilbte Grasbüschel, die aus schartigen Fugen sprießen, im lauen Wind des Hochplateaus die Beschaffenheit des gerade aktuell Vorhandenen abnicken.

Die groteske Überdimensionierung besagten Terminalgebäudes verdeutlicht sich in seinem Inneren – einem einzigen, mit rötlich schimmerndem Marmorimitat ausgekleideten Saal, in dem sich, verlorenen Hütten gleich, eine Sicherheitskontrolle mit genau einem Metalldetektor sowie ein zehn Quadratmeter großer Souvenirladen, dessen Sortiment hauptsächlich Plastikspielzeug und bemalte Raubvögel aus Ton beinhaltet, befinden – noch viel unleugbarer als von außen betrachtet, wo die Ausläufer des Himalaya und die Weite der Landschaft sie auf ein erträgliches Maß relativieren.

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Es sind ja immer nur bestimmte Bilder, die haften bleiben. Und es ist eine Wissenschaft, über Momente zu sprechen, die aufgrund ihrer spezifischen Zusammensetzung einen Platz bewahrenswerter Einzigartigkeit zugewiesen bekommen, in der Erinnerung. Ihre Wertigkeit bestimmen sie selbst.

Ein sanfter Wind weht, von draußen, vom offenen Meer her, er ist warm und schafft es gerade so, unangestrengt die Häupter der Palmen in ein leichtes Schwingen zu versetzen. Es ist fast vollkommen still, nur die Wellen plätschern leise, fast zaghaft, und aus weiter Ferne, von irgendwo hinter den Hügeln, vermögen nur vereinzelte Fetzen von Sprache und Musik uns zu erreichen, abgehackt und unverständlich. In keiner der umstehenden Hütten brennt Licht, und so liegt die gesamte Bucht im Glanz des Mondes, silbrig angestrahlt, erstaunlich hell. Zwischen zerfließenden und immer neu entstehenden Ringen, Kreisen und Ellipsen wiegen sich leicht die Boote, fast unbemerkt, im angehaltenen Atem des Wassers hin und her.

[Fundstück, ca. 2001]

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