Es riecht nach Holzkohle und Blumen am Hauptportal des Longhua Funeral Parlors in der industriellen Peripherie Shanghais. Rechts und links des Tores kauern sich zur Straße hin offene Läden in den Schatten eines Autobahnzubringers, in einem der Geschäfte, das sich auf Grabsteinplaketten spezialisiert hat, photoshopt soeben ein Angestellter im Beisein eines Kunden ein Bild dessen verstorbenen Großvaters. In einer Vitrine liegen neben alten Emailleplaketten, auf denen Uniformträger und glückliche Ehepaare in Schwarz-Weiß zu sehen sind, kolorierte Beispielvarianten mit dem Abbild Britney Spears’.
Auf dem Gelände selbst fällt als erstes das wohl erst kürzlich errichtete Hauptgebäude auf, das sich mit einer architektonischen Mischung aus Bauhaus und Star Wars über diverse Aussegnungshallen, ein Krematorium und ein eher gastronomisch orientiertes Bauwerk, in dem sich mehrere Dinnersäle befinden, deren Belegung aus einer digitalen Anzeigetafel neben dem Eingang zu ersehen ist, erhebt. Betritt man das Hauptgebäude selbst, findet man sich in einer großen Empfangshalle wieder, die sich über alle vier Stockwerke hinweg bis unter das Dach erstreckt; das Muster auf dem blanken Marmorboden leitet den Blick vorbei an diversen Schaukästen, in denen mit Preisschildern ausgezeichnete Urnen stehen, hin zu einem sehr breiten Empfangstresen, über dem ein circa zehn Meter hohes Gemälde hängt, das den Zirkel des Lebens so zeigt, wie ihn Gustav Klimt wohl gestaltet hätte, wäre er an der Schwelle zum neuen Jahrtausend in China auf die Welt gekommen.
[…]
Ganzen Artikel anzeigen